Goldene Kugel, bunte Fliesen, Rauchfang mit Kunstanspruch – die Müllverbrennungsanlage Spittelau ist mehr als nur ein Symbol für den Alsergrund sondern sie vereint soziale Infrastruktur, Umweltschutz und Stadtgestaltung. Ihre Geschichte erzählt von Pragmatismus, mutigen Entscheidungen und einem ungewöhnlichen Künstler.
Von der Energiezentrale zum Wahrzeichen
Errichtet zwischen 1966 und 1971 sollte die Anlage ursprünglich vor allem eines: Müll entsorgen und gleichzeitig das Allgemeine Krankenhaus mit Fernwärme versorgen. Geplant von Architekt Josef Becvar, war sie ein Beispiel funktionaler Ingenieurskunst – nüchtern, effizient, unauffällig.

Am 15. Mai 1987 kam es dann zu einem folgenschweren Brand, der große Teile der Anlage beschädigte. Während in vielen Städten ein solcher Vorfall wohl zum Anlass genommen worden wäre, das Werk stillzulegen oder durch ein modernes, aber austauschbares Gebäude zu ersetzen, entschied sich die Stadt Wien unter Bürgermeister Helmut Zilk (SPÖ) für einen anderen Weg: Erhalt, ökologischer Umbau – und ein starkes gestalterisches Zeichen.
Diese Entscheidung war in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Zum einen wurde ein bereits in die Jahre gekommenes Infrastrukturprojekt nicht dem Abbruch preisgegeben, sondern als wertvolle Ressource behandelt. Zum anderen erkannte man die Gelegenheit, Umweltschutz und Stadtkultur miteinander zu verbinden.
Hundertwasser kommt ins Spiel
Für die Neugestaltung wurde Friedensreich Hundertwasser gewonnen – Künstler, Ökologe und Verfechter menschlicher Architektur. Er gestaltete die Anlage in seiner typischen Sprache: organische Formen, leuchtende Farben, ungerade Linien. Die goldene Kugel wurde zum neuen Blickfang über der Skyline vom Alsergrund.
Hundertwasser war überzeugt, dass Architektur ökologisch und sozial wirken muss. Er verzichtete auf ein Honorar und setzte mit seiner Gestaltung ein sichtbares Zeichen gegen Umweltzerstörung und anonyme Technik. Ein besonders auffälliges Element der Anlage ist die glänzende, goldene Kugel auf dem Dach – oft scherzhaft als „Kapperl“ bezeichnet. Ursprünglich war sie nicht Teil der ursprünglichen Pläne, sondern entstand spontan während einer hitzigen Diskussion über die Fassadengestaltung. „Ich hau den Hut drauf,“ soll Friedensreich Hundertwasser gesagt haben, als er das Gespräch verließ – eine Bemerkung, die von den Bauverantwortlichen aufgenommen wurde. Kurzerhand beschlossen sie: Genau das machen wir – und so bekam die Spittelau ihr strahlendes Wahrzeichen.
Parallel wurde die Anlage mit hochmoderner Filtertechnik ausgerüstet. Rauchgas-Nasswäsche, Dioxinzerstörung und eine Entstickungsanlage senken die Emissionen bis heute auf ein Minimum – weit unter den gesetzlichen Vorgaben.
Die Müllverbrennungsanlage Spittelau liefert Energie für tausende Haushalte
Heute verarbeitet die Spittelau jährlich rund 250.000 Tonnen Müll und erzeugt daraus Fernwärme für über 60.000 Haushalte sowie Strom für rund 50.000. Der Restmüll, der nicht recycelt werden kann, wird effizient in Energie umgewandelt – klimafreundlich und lokal. Damit ist die Anlage ein wichtiges Element im Wiener Modell der Daseinsvorsorge.
Technisches Zentrum und Touristenmagnet
Was ursprünglich ein reiner Zweckbau war, ist heute ein Wahrzeichen. Die Anlage steht für einen anderen Zugang zur Stadt: Einer, bei dem Funktion, Verantwortung und Ästhetik zusammengedacht werden. Nicht umsonst besuchen jedes Jahr Touristen aus aller Welt die Spittelau.