Die „Steine der Erinnerung“ gedenken allen Wiener Jüdinnen und Juden, die von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet wurden. Es handelt sich um kleine Messingtafeln, die an den ehemaligen Wohnadressen der Opfer angebracht sind. Jetzt wurden drei neue Erinnerungssteine im Alsergrund enthüllt. Die Bezirksvorsteherin Saya Ahmed beschrieb „Erinnerung als kollektive Verantwortung“.
Die „Steine der Erinnerung“ werden von einem kleinen privaten Verein organisiert. Die Steine sind jüdischen Personen gewidmet, die Opfer des Holocaust wurden. Es handelt sich um kleine, in den Boden eingelassene Gedenktafeln, die an den Wohnstätten der damals von den Nationalsozialisten deportierten Jüdinnen und Juden angebracht sind. Auf den Tafeln stehen bis zu vier Namen. Sie erinnern an über 64.400 ermordete österreichische Jüdinnen und Juden und eine vormals sehr lebendige jüdische Gemeinde in Wien. Außerdem sind die Gedenksteine den Familien und Nachkommen der Opfer gewidmet. Die Initiativen für die Gedenksteine in Wien beruhen auf dem Projekt „Stolpersteine“ von Gunter Demnig.
„Erinnerung als kollektive Verantwortung“: Saya Ahmad zur Enthüllung der neuen Erinnerungssteine
In Wien gibt es bereits zahlreiche Erinnerungssteine – wenn man wachsam durch die Straßen geht, kann man immer wieder welche entdecken. Sie führen das Ausmaß der Deportationen jüdischer Bürger*innen vor Augen. Im Alsergrund wurden jetzt 3 neue Steine der Erinnerung angebracht und kürzlich im Arne-Karlsson Park enthüllt. Neben Bezirksvorsteherin Saya Ahmad waren auch zahlreiche Angehörige vor Ort. Bereits 90 Erinnerungssteine gibt es im Bezirk. Familienmitglieder und engagierte Alsergrunder:innen initiierten das Verlegen der neuen Steine.
„In Erinnerung daran, was in unserem Bezirk und unserer Stadt passiert ist und wohin Entmenschlichung von Mitbürgerinnen und Mitbürgern führt – nämlich zu Zerstörung und Tod – ist es unsere kollektive Verantwortung, niemals zu vergessen und für ein Nie Wieder einzutreten.“, sagt Bezirksvorsteherin Saya Ahmad.
Die neuen Steine der Erinnerung befinden sich in der Pichlergasse 5 zum Gedenken an Familie Wagenberg, in der Wilhelm-Exner-Gasse 23 für Familie Kramer sowie in der Glasergasse 22 für Familie Frankfurt.
Fast 7.000 jüdische Menschen wurden aus dem Alsergrund deportiert und ermordet
Der Alsergrund war ein Bezirk, in dem viele jüdische Wiener:innen lebten. Vor der Machtergreifung durch die Nazis lag der Anteil an jüdischer Bevölkerung bei 30 % und in der Rossau bei 50%. Die Verleumdung und Verfolgung begann schon lange davor, aber 1938 wurden Jüdinnen und Juden völlig ihrer Rechte und Würde beraubt. Am Alsergrund wurden jüdische Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben und in Sammelunterkünfte im Bezirk oder in der Leopoldstadt gebracht. Andere wurden aus umliegenden Bezirken hierher umgesiedelt, etwa ins jüdische Altersheim in der Seegasse. 6910 Jüdinnen und Juden vom Alsergrund, die nicht fliehen konnten, wurden deportiert und ermordet.
„Steine der Erinnerung“ entstehen im Jahr 2005 im Alsergrund
Das Projekt „Steine der Erinnerung“ entstand im Alsergrund im Jahr 2005. Der Onkel einer Initiatorin des Projekts, Elisabeth Ben David-Hindler, wollte in der Porzellangasse 49a eine Gedenktafel für seine Eltern anbringen lassen. Er war auch bereit, Miete dafür zu bezahlen, aber die Hausbesitzerin verwehrte ihm seinen Wunsch. Schließlich wurden sie auf das Projekt „Stolpersteine“ aufmerksam. Mit der Hilfe der damaligen Bezirksvorsteherin Martina Malyar (SPÖ) starteten sie das Projekt auch in Österreich und noch im selben Jahr wurde der Gedenkstein für ihren Onkel gesetzt.
Momentan gibt es über 30 Adressen im Alsergrund, bei denen Gedenksteine angebracht sind. Mit der Enthüllung der neuen Steine ist das Projekt quasi wieder ‚zurückgekommen‘ an den Anfang. Aber es beschränkt sich bei weitem nicht nur auf den Alsergrund – mittlerweile gibt es in jedem Wiener Gemeindebezirk die kleinen Messingtafeln, die die Erinnerung an ehemalige Mitbürger:innen im öffentlichen Gedächtnis aufrechterhält.